Südafrika – ein Einwanderungsland

Wer an Südafrika denkt, der denkt vermutlich an Kapstadt, den Krüger Park und die Gardenroute, aber er denkt sicher auch an Townships, Kriminalität, Armut und Aids. Im Angesicht der aktuell hohen Flüchtlingszahlen in Europa stellt sich manch einer die Frage, wohin die Südafrikaner eigentlich fliehen – und ob sie das überhaupt tun. Gründe scheinen viele von ihnen ja zu haben. Doch Europa ist weit weg. Deutschland und Südafrika trennen gut 9000 Kilometer.

Nein, vielen Südafrikanern geht es nicht gut, aber in Afrika spielt Verhältnismäßigkeit eine große Rolle. Denn Südafrika ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, das reichste Land Afrikas, eine vergleichsweise stabile Demokratie, Mitglied der G20 und das Klima ist – verhältnismäßig – günstig. Diese Umstände sorgen dafür, dass Südafrika für viele Menschen ein Sehnsuchtsort ist, vergleichbar mit dem, was Deutschland für Nordafrikaner, Osteuropäer, Syrer und viele andere bedeutet. Sie kommen aus Simbabwe, dem Kongo, aus Somalia und dem Südsudan, aus Äthiopien, Burundi und anderen Ländern. Vor Verfolgung, Dürre, Hunger und Bürgerkrieg fliehen sie und sehen in Südafrika das gelobte Land.
Laut der Entwicklungsorganisation Oxfam sind allein im Jahr 2016 zwischen 250.000 und 350.000 Migranten aufgenommen worden. Damit ist Südafrika eines der größten Einwanderungsländer weltweit. Doch willkommen sind die Flüchtlinge längst nicht bei allen. Wie eingangs erwähnt, kämpfen viele Einheimische selbst mit großen Problemen, die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 27 Prozent, die Löhne sind oft niedrig. Die vielen Ausländer, rund drei Millionen Migranten leben in dem Land mit 53 Millionen Einwohnern, gelten oft als Sündenböcke, die Arbeit und Frauen stehlen oder gar gekommen sind, um das Land zu destabilisieren.

Die Ablehnung von Flüchtlingen artet zuweilen aus. Selbst Hetzjagden mit dutzenden Toten hat es schon gegeben. Wem das erspart bleibt, hat es in der Regel trotzdem nicht leicht. Wer etwa Arbeit sucht, wird selten fündig, weil die Arbeitgeber meistens Einheimische bevorzugen.
Dabei hat Südafrika eine der progressivsten Flüchtlingsgesetzgebungen weltweit. Migranten genießen nahezu die gleichen Rechte wie Südafrikaner, dürfen arbeiten, sich frei bewegen, haben Zugang zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie einigen Sozialleistungen. Das habe vor allem den Vorteil, dass Einwanderer selbst für sich sorgen können und dem Staat dadurch weniger Geld kosten, sagt Zaheera Jinnah vom Zentrum für Migration und Gesellschaft der Wits-Universität Johannesburg. Hier könnten ihrer Meinung nach sogar Deutschland und die EU, wo Flüchtlinge und Asylbewerber oft lange auf eine Arbeitserlaubnis warten, etwas lernen.

Südafrika könnte eine noch größere Vorbildfunktion einnehmen, wenn es dem Land gelänge, seine fortschrittlichen Gesetze auch umzusetzen. Denn das, was auf dem Papier steht, hat mit der Realität aktuell nur wenig gemeinsam. So dauert die Bearbeitung von Asylanträgen derzeit sehr lange, mindestens 400.000 Menschen warten noch auf eine Entscheidung – teilweise schon seit Jahren.
Hinzu kommt, dass staatlich organisierte Integration praktisch nicht vorhanden ist. Nach einem bewilligten Asylantrag sind die Geflüchteten überwiegend auf sich allein gestellt und Widrigkeiten und Willkür ausgesetzt – trotz ihrer Rechte und Freiheiten.

Ob hier in naher Zukunft Besserung eintritt, ist fraglich, denn die Regierung schaut auch nach Europa, man orientiert sich in vielen Dingen noch immer am „alten Kontinent“. Das, was man dort sieht, sind immer mehr geschlossene Grenzen und die Tendenz, Migranten abzulehnen, bzw. wieder abzuschieben. Es dränge sich der Gedanke auf, „Wenn Europa keine Verantwortung übernimmt, warum sollen wir es tun?“, beschreibt Sipho Mthathi, Geschäftsführerin von Oxfam Südafrika die derzeitige Entwicklung der Flüchtlingspolitik in ihrem Land. Europa laufe Gefahr, ein schlechtes Beispiel zu werden für afrikanische Einwanderungsländer. Erste Maßnahmen würden bereits umgesetzt, so habe Südafrika damit begonnen, Abkommen mit Herkunftsländern von Migranten zu verhandeln um sie einfacher dorthin zurückführen zu können.

Dennoch, Südafrika ist und bleibt eines der größten Einwanderungsländer der Welt, obwohl es selbst mit gewaltigen Problemen beladen ist. Das Land am Kap ist so verlockend, weil es dem großen Rest von Afrika noch schlechter geht. Solange das so bleibt, werden die Menschen kommen – nach Südafrika und nach Europa.

Florian Hinz

Quellen:
http://www.migazin.de/2017/06/09/oxfam-eu-fluechtlingspolitik-negativ-vorbild/ (Oxfam: EU-Flüchtlingspolitik ist Negativ-Vorbild für Afrika)
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/afrikaprojekt-suedafrika-103.html („Milliarden gegen Migranten“ Von Südafrika lernen)
Bildquelle:
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