Wir geben den Frauen Flügel / We give these women wings

Daniel Scharnagl über Nähprojekte in der Diözese Eshowe / Daniel Scharnagl about sewing projects in the diocese of Eshowe

English version below

________________________________

Vor vier Jahren begann Sr. Teressa Zungu von den südafrikanischen Holy Childhood Sisters, Nähkurse für Frauen aus der Umgebung von Eshowe anzubieten. Heute ist daraus ein Großprojekt geworden, das mit deutschen Fördergeldern unterstützt wird.

Sipho Makhanya läuft von einer Nähmaschine zur nächsten. Um ihn herum rattern Nadeln, Frauenstimmen schnattern durcheinander. Prüfend hält er ein Paar Shorts hoch, fährt mit den Fingern über die Naht, begutachtet das Ergebnis. „Gute Arbeit“, sagt der 51-jährige zu Nqobile, einer jungen Frau aus Vryheid. Gemeinsam mit 17 weiteren Frauen aus allen Ecken des Zululands ist sie für eine Woche nach Eshowe gekommen, um im Development Centre ihren Nähkurs zu beenden. Drei Monate lang hat sie Schnittmuster entworfen, den Umgang mit verschiedenen Stoffen gelernt, mobile und industrielle Nähmaschinen bedient. Sie hat Kleider und Hosen, Schuluniformen und Trainingsanzüge genäht. Heute wird sie bis spät in die Nacht arbeiten, um ihr „Gesellenstück“ fertigzubekommen: Ein schwarzes Sommerkleid mit Leopardenmuster. „Jede Teilnehmerin soll nach dem Kurs fähig sein, selbst unterschiedliche Kleidungsstücke zu gestalten und zu nähen“, sagt Sipho.

Das Projekt zu den Menschen bringen

Dass der gelernte Schneider sein Wissen im Nähprojekt teilt, hat viel mit Sr. Teressa Zungu zu tun. Die franziskanische Schwester warb ihn vor zwei Jahren als Ausbilder in Vryheid an. Damals reiste sie kreuz und quer durch die Provinz, um Mitstreiter für ihre Idee zu finden und weitere Gruppen zu gründen. Sie selbst begann bereits 2016, Nähkurse für Frauen aus der Umgebung von Eshowe anzubieten – und merkte schon bald, wie groß das Interesse unddas Potenzial war. Manche Frauen reisten mehr als 200 Kilometer weit, um an einem Kurs teilzunehmen. „Es stellte sich aber heraus, dass der Aufwand und die Kosten für viele zu hochwaren“, sagt Sr. Teressa. „Deshalb fingen wir an, in die Communities zu gehen und vor Ort Kurse zu starten.“ Dieser Outreach-Ansatz kostet Geld: Nähmaschinen mussten angeschafft, Räume gemietet werden. Hinzu kamen Benzinkosten und Aufwandsentschädigungen für die Ausbilder. „Wir brauchten Hilfe, um das Projekt auf eine neue Stufe zu heben“, sagt Sr. Teressa.

Gefunden hat sie diese Hilfe bei der deutschen Organisation Yebo Zululand Initiativen und dem Internationalen ländlichen Entwicklungsdienst (ILD). Mit Fördermitteln und Spenden unterstützen sie das Projekt; bis heute sind zehn Außenstellen im gesamten Zululand entstanden. „Der Samen, den Sr. Teressa vor vier Jahren gepflanzt hat, ist zu einem starken Baum gewachsen“, sagt Edeltraud Parensen, Gründerin von Yebo Zululand. Mehr als 300 Frauen haben laut der Bad Driburgerin bis zum heutigen Tag an Nähkursen teilgenommen. Einige gründen in ihren eigenen Gemeinden neue Initiativen, um ihr Wissen weiterzugeben. Parensen spricht von einem „Schneeballeffekt“, der das Projekt größer werden lässt. „Das soziale Miteinander bedeutet für die Frauen eine wertvolle Stütze zur Bewältigung ihres Alltags“, sagt Parensen. „Außerdem können sie mit Hilfe der Ausbildung zum Unterhalt ihrer Familien beitragen.“ Zahlende Kunden finden die Frauen momentan vor allem bei Schulen auf dem Land: In Südafrika herrscht eine riesige Nachfrage nach Uniformen, die Kinder ab der ersten Klasse tragen müssen – nicht nur im Unterricht, sondern auch beim Sport oder Schulveranstaltungen. „Wichtig ist, dass die Frauen selbst mithelfen, Aufträge für ihre Gruppen zu akquirieren“, sagt Sr. Teressa. „Wir unterstützen sie, geben ihnen Flügel. Aber am Ende müssen sie selbst fliegen lernen.“

Vertrauen zurückzahlen

„Wir helfen uns gegenseitig“, bestätigt Nolwandle Nxumalo, die seit einigen Jahren Teil des Nähprojekts ist. Ihr liegt am Herzen, dass Frauen wie sie selbst durch das Projekt aus der Arbeits- und Tatenlosigkeit herausgeholt werden. „Das Leben im Zululand ist schwierig. Viele Menschen sind arm und sitzen den ganzen Tag zu Hause, weil sie nichts gelernt haben und niemand an sie glaubt“, sagt die 52-jährige. Als einige Frauen ihre Zertifikate überreicht bekommt, hält sie eine flammende Rede, in der sie den Verantwortlichen und Förderern des Nähprojekts für ihr Engagement dankt – und ihrerseits verspricht, das Vertrauen zurückzuzahlen. „Ich werde jeder Frau einen Schubser in die richtige Richtung geben, wenn sie geschubst werden will“, erklärt Nolwandle. Sobald die Nähmaschinen wieder rattern, lässt sie ihren Worten Taten folgen. Sie teilt ihre Erfahrungen mit Neuankömmlingen, hilft bei der Akquise zahlender Kunden und unterstützt die Frauen bei alltäglichen Problemen.

In Zukunft wird ihr Engagement noch häufiger gebraucht werden. Im Februar wurde das mit ILD-Mitteln geförderte „Innovation Center“ in Eshowe eröffnet, in dem schon bald regelmäßig Workshops stattfinden sollen. Teilnehmerinnen aus allen Gruppen kommen dort zusammen, um neue Techniken zu lernen und sich untereinander auszutauschen. Teil der Feierlichkeiten zur Eröffnung war die Segnung der Räumlichkeiten durch Bischof Xolelo Thaddeus Kumalo sowie Grußworte der deutschen Förderer, die mit Nähgruppen und Landwirtschaftsprojekten auch künftig die ländliche Entwicklung im Zululand stärken wollen. Zur Eröffnung eingeladen ist auch Sipho Makhanya. Gemeinsam mit seinen Studentinnen hat er eine Modenschau organisiert, in der die Frauen ihre selbst genähten Kleider einem großenPublikum präsentieren dürfen. Stolz schreiten sie über den improvisierten Laufsteg, ein Traum in blau, ein Leopardenfell, ein pinker Farbklecks. Sipho lacht und hebt den Daumen, als er die Ergebnisse seiner monatelangen Arbeit betrachtet. Ein Hauch von Haute Couture, mitten im afrikanischen Zululand.

Daniel Scharnagl

-5-

Bild 5 von 5

English Version

Four years ago Sr. Teressa Zungu, a member of the Holy Childhood Sisters in South Africa, started sewing courses for women around the rural town of Eshowe. Today, her idea has grown into a project for the whole of Zululand, supported by German development funds.

Sipho Makhanya is moving in-between sewing machines. The sound of clattering needles and cackling female voices is circling around him. He checks a pair of shorts, touches the seam with his fingers, assesses the result. “Good work”, the 51-year-old says to Nqobile, a young woman from Vryheid. Together with seventeen other women from all parts of Zululand she is finishing up her sewing course in the Development Center of the Catholic Diocese in Eshowe. Before, she has designed patterns, learned to handle different fabrics, worked with mobile and industrial sewing machines. She has sewed dresses and trousers, school uniforms and tracksuits. Today she will work until late at night to finish her last piece: A black summer dress with leopard patterns. “Every learner must be able to design and produce different clothes after the course”, Sipho says.

Bringing the project to the people

The skilled tailor is sharing his knowledge, and that has a lot to do with Sr. Teressa Zungu. The Franciscan Sister of St. Clare Convent in Eshowe recruited him two years ago to teach sewing in Vryheid. At the time, Sr. Teressa traveled up and down the Zululand Diocese to find companions and form new groups. In 2016, she started to teach sewing to a group of Eshowe women herself – and realized a great interest and potential in her work. Some learners traveled more than 200 kilometers to join a sewing course. “But we realized that the cost and effort was too much for many women”, Sr. Teressa says. “That is why we started to go into the communities and bring the course to the people.” This outreach approach costed money: Sewing machines had to be bought, rooms had to be rented. She needed petrol money and funds to pay the instructors’ stipends. “We needed help to take the project to the next level.”

Sr. Teressa found help with the German organization Yebo Zululand Initiatives and the International Rural Development Service (ILD). Up to this day, they are supporting the project with subsidies and donations. Meanwhile, ten sewing groups are working all over theZululand region. “Sr. Teressa has planted a seed four years ago, and it has grown into a strong tree”, says Edeltraud Parensen, founder of Yebo Zululand. More than 300 women have participated in sewing courses over the years, says Parensen, who compares the development of the project to a “snowball effect”. “The social interaction within the groups helps the women to cope with everyday life”, she says. “And the sewing enables them to support their families.” At the moment, paying customers are predominantly rural schools. Demand for school uniforms in South Africa is huge, as children wear them from the first to the last day of school, in class, at sports lessons or at functions. “It is very important for the women to acquire contracts in their local neighborhoods on their own”, says Sr. Teressa. “We can give them wings, but they have to learn to fly themselves.”

Repay the trust

“We help each other out”, says Nolwandle Nxumalo, who has been part of the sewing initiative for years. She focuses on the social impact of the project: Women like herself are pulled out of unemployment and apathy. “Life in Zululand can be very difficult. Many people are poor and sit at home all day, because they are uneducated and nobody believes in them”, the 52-year-old claims. While some of the women are receiving their certificates for completing the course, she gives a blazing speech. She thanks project managers and the sponsors for their commitment – and promises to repay the trust wherever she can. “I will give every woman a push if she wants to be pushed”, Nolwandle says. When the sewing machines start clattering again, she is putting her words into action. She shares knowledge with newcomers, helps to acquire new contracts and supports the women with daily issues.

In the future, her commitment will be needed more than ever. On the 21st of February, the opening of the new “Innovation Center” in Eshowe was celebrated. Regular workshops will take place there soon, when students from all sewing groups in Zululand can come together, share their experiences and learn new techniques. Part of the ceremonial launch were the blessing of all new rooms by Bishop Xolelo Thaddeus Kumalo and speeches by the German sponsors, who will continue to support rural development in the area, both through sewing workshops and agricultural projects. Among the invited guests was Sipho Makhanya. He had organized a fashion show, where the women could present their work to a bigger audience. They walked the improvised catwalk proudly, a dream in blue, a leopard dress, a colorful pink spot. Sipho laughed and raised his thumb, watching the result of all his efforts. A touch of Haute Couture, in the middle of African Zululand.

Daniel Scharnagl