Mit den Sozialarbeiterinnen unterwegs

Südafrika ist bekannt als Land großer Gegensätze. Für einen Teil der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren das Leben zum Positiven geändert. Gemeint ist hier nicht die Gruppe korrupter Politiker, die sich beschämend bereichert hat, oder die neuen Reichen und Schönen, sondern Menschen, die über ein solides Einkommen verfügen und somit zu einem gewissen Wohlstand gekommen sind.

Durch die Hausbesuche der Sozialarbeiterin und ihrer Assistentin bin ich bei diesem Aufenthalt in Südafrika jedoch verstärkt großer Armut im ländlichen Raum begegnet. Einzelne Schicksale, die es nicht nur in Südafrika gibt. Auf dem Nachhauseweg und dann im Büro wird mit großer Nachdenklichkeit diskutiert und nach möglichen Lösungen gesucht – entsprechend der für uns verfügbaren Mittel.

„Warum haben diese jungen Kinder keine Mütter?“ frage ich nach dem Besuch einer Familie, wo alle in einer Hütte schlafen, in die es hereinregnet. Die Großmutter sorgt für die acht Enkelkinder. Eine Enkelin hat bereits wieder ein Baby. „Ihre Mütter sind gestorben.“, erklärt man mir. HIV – Aids. Stille in der Runde. Auf meine Frage nach der Aufklärung dieser jungen Eltern über Aids sagt man mir klar, dass alle Bescheid wüssten. In den Schulen ist dies ein Thema im Fach „Life Orientation“, in Lebenskunde. Die Clinics, die Außenstellen der Krankenhäuser, gehen mit eigenen Aufklärungsprogrammen in die Schulen. Aber die jungen Leute hören nicht darauf. „You can take a horse to he river, but you cannot force it to drink.“ Du kannst ein Pferd zum Fluß bringen, aber du kannst es nicht zwingen zu trinken.

Auch Noxolo hat keine Eltern mehr. Sie lebte bei ihren Onkeln. Auf Anraten der Sozialarbeiterin ist sie zu einer Verwandten in der Nähe gezogen. Dort wurde sie wieder weggeschickt. Eine andere Tante hat sie aufgenommen. Diese kommt sehr spät von der Arbeit nachhause und Noxolo hat fragwürdige Freundinnen gefunden hat, bei denen sie die Zeit nach der Schule verbringt. Wir werden bei Beverly anfragen, die ein kleines privates Heim hat, sehr bescheiden, jedoch liebevoll geführt. Und das braucht Noxolo. Ein wirkliches Zuhause.

Im Norden der Diözese, wo kurzstämmige Schirmakazien, viele Steine und Ziegen das Landschaftsbild prägen. Wir sitzen bei 35 Grad im Schatten eines Baumes hinter der Rundhütte und der Vater erzählt, dass seine Frau die Familie verlassen hat. „Sie ist weg und lässt nichts mehr von sich hören“, sagt er traurig. Die drei Jungs werden gleich von der Schule kommen. Sie sind neun, elf und dreizehn Jahre alt. Auch hier ein undichtes Dach auf der Rundhütte. „Wenn es regnet, legen wir uns auf unsere Sachen, damit sie nicht nass werden“, sagen sie. Um Landwirtschaft zu betreiben, regnet es jedoch zu wenig in dieser Gegend. Um sechs Uhr morgens gehen die Jungs zur Schule. Dort gibt es Gott sei Dank Mittagessen. Maisbrei und Bohnen, heute, gestern, vorgestern und überhaupt. Wenigstens das. Als sie nach Hause kommen, ziehen sie sich sofort um. Unter den gelben Schulhemden sehe ich die löchrigen Unterhemden. – Zurück in Eshowe kaufe ich für die drei ein. Sie sind im Alter meiner Enkelkinder. Die Shorts werden aus dem Nähcenter kommen. Für Material zur Reparatur der Hütte wird Herr Majozi vom Entwicklungs-Office sorgen! All dies ist möglich dank der Spenden, die wir erhalten. Die Menschen sind zutiefst erstaunt und dankbar, dass Menschen aus Europa sich für ihr Leben interessieren.

Nach solchen Tagen erinnere ich mich manchmal an ein Zitat von Bartholomäus Grill, dem langjährigen Afrika-Korrespondenten der ZEIT: “Man würde verzweifeln an diesem Kontinent, hätte er nicht 1000 andere Gesichter.“

Warum ich hier darüber berichte? Diese einzelnen Schicksale stehen für Millionen, Milliarden auf dieser Erde.

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Edeltraud Parensen

Fotos: Yebo